Digitalisierung darf Vertrauen in Apotheken nicht erschüttern
Neujahrsempfang der Heilberufler

(Magdeburg, 14. Januar 2019). Das Thema „Sichere Patientenversorgung im digitalen Zeitalter“ stand im Mittelpunkt des Neujahrsempfangs der Heilberufler in Sachsen-Anhalt. Den organisierten in diesem Jahr die Apothekerkammer und der Landesapothekerverband. Der gemeinsame Empfang von Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Psychotherapeuten und Apothekern fand am 9. Januar 2019 in Magdeburg statt. Dr. Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt, stellte den Gästen aus Politik, Verwaltung, Krankenkassen und Gesundheitsberufen zuerst einen weiteren digitalen Baustein in der Arzneimittelversorgung vor.
Am 9. Februar 2019 tritt das neue EU-weite Sicherheitssystem „securPharm“ in Kraft. Ab diesem Stichtag werden von der Industrie nur noch rezeptpflichtige Arzneimittel in den Verkehr gebracht, die mit zwei Sicherheitsmerkmalen versehen sind, dem Erstöffnungsverschluss und einem DataMatrix-Code. Dieser Code enthält eine individuelle - nur einmal vergebene - Seriennummer, die im EU-Hub hinterlegt ist.So wird die Sicherheit in der legalen Lieferkette dank einer ausgefeilten digitalen Vernetzung erhöht. Dr. Münch: „Digitalisierungist das Schlagwort, das uns in den nächsten Jahren weiter intensiv beschäftigt. Wir wissen, dass uns der demografische Wandel im Gesundheitswesen vor viele Herausforderungen stellt. Er kann nur mit mehr interprofessioneller Kommunikation und Zusammenarbeit, vor allem von Ärzten und Apothekern, bewältigt werden. Dazu brauchen wir dringend eine bessere digitale Infrastruktur. Als Schlagwort nenne ich den E-Medikationsplan als ersten Schritt.“
Die Zukunft der sicheren und unverzüglichen Versorgungvon Patienten zu jeder Tages- oder Nachtzeit ohne die Gefahr der Ausnutzung von Notlagen hat für die Apotheker absolute Priorität. „Das ist eine existentielle Grundlage für das Vertrauen unserer Patienten. Wir erwarten vom Staat kalkulierbare Rahmenbedingungen, um diese Struktur zu sichern und zu stärken. Feste Preisefür rezeptpflichtige Arzneimittel sind dabei ganz wichtig. Die verbindlich festgelegten Aufschläge sind gewissermaßen unsere Gebührenordnung. Sie stützen die Versorgungsstruktur“, so Dr. Münch. Und ergänzte: „Wir brauchen keine Experimente, sondern Sicherheit. Wir brauchen eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Werteim Gesundheitssystem. Statt einer vordergründigen Fokussierung auf Kosten und Preise müssen Qualität und Sicherheit für die Patienten wieder im Vordergrund stehen. Sparsamkeit ist im Gesundheitswesen sicher geboten und richtig. Sie darf aber nie vor Sicherheitgehen. Wer den Bogen überspannt und den Preisdruck zum Selbstzweck werden lässt, muss sich nicht wundern, wenn die Qualität zum Teufel geht.“
Der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt e.V., Mathias Arnold, fügte an, dass er in der Digitalisierung große Chancen sehe, doch Digitalisierung nicht per se eine Lösung ist, insbesondere wenn der Patient Hilfe sucht. In solchem Fall ist die Kommunikation mit Arzt und Apotheker unverzichtbar. Gerade in den Apotheken sollte die digitale Welt im Hintergrund ablaufen. Im Vordergrund steht immer das vertrauensvolle und offene Patientengespräch. Empathie und Menschlichkeit stehen für die analoge Welt und können nicht digital ersetzt werden. „Wir können Probleme digital lösen, wir müssen es aber nicht. Manchmal ist die digitale Lösung eben nicht die richtige Lösung für ein bestehendes Problem. Digitalisierung entfremdet. Wir kennen Patienten, die sich nicht trauen, Fragen zu formulieren. Diese Patienten brauchen unsere Hilfe und persönliche Unterstützung. Dabei kann uns die Digitalisierung unterstützen. Aber Digitalisierung wird das Problem nicht lösen. Wir können den Menschen helfen, wenn Sie uns vertrauen. Denn wir kommunizieren mit ihnen auf Augenhöhe, beraten sie individuell zu ihren Arzneimitteln und erklären ihnen die richtige Einnahme oder Anwendung. Ganz analog und vertrauensvoll.
Die Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt, Petra Grimm-Benne (SPD), versprach in ihrem Grußwort, sich auch weiterhin vollumfänglich für den Erhalt der flächendeckenden Versorgung durch die Präsenzapotheken einzusetzen. Die wohnortnahe Versorgung - auch in dünn besiedelten Gebieten - will sie erhalten. Und dies nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ „Wir sind der Auffassung, dass die aktuellen Regelungen hinsichtlich der Versorgung der Patienten durch die Apotheken nach wie vor sachgerecht sind. Mit dem Botendienst und den Rezeptsammelstellen zusätzlich zum Netz der öffentlichen Apotheken ist die reine Arzneimitteldistribution hin zum Patienten gut aufgestellt. Ich wünsche mir aber ausdrücklich auch Leistungen von den Apotheken, die über die reine Arzneimittelabgabe hinausgehen“, erklärte die Ministerin. So sieht sie eine besondere Verantwortung bei den Apotheken in der zusätzlichen Beratung zu einem gesundheitsgerechten Verhalten. Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung zu entwickeln, darauf lege sie großen Wert. Grimme-Benne: „Die Apotheken sind unsere wertvollsten Partner im Bereich der Prävention. Sie engagieren sich in den Regionen in Kindergärten, Schulen oder sie unterstützen Selbsthilfegruppen. Auch in unserer Initiative Herzgesundheit sind sie wichtige Akteure. Dafür vielen Dank.“
Prof. Marie-Luise Dierks vom Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Medizinischen Hochschule Hannover gab anschließend in ihrem Festvortrag einen kurzweiligen Überblick über das Thema Gesundheitskompetenz und Kommunikation. Sie verdeutlichte, dass kranke Menschen in ihrer Gesundheitskompetenz unterstützt werden sollten. Das persönliche Gespräch ist dabei ein ganz wichtiger Aspekt. Alle im Gesundheitswesen Tätigen müssen sich immer wieder fragen, ob der Patient die Informationen und Erläuterungen richtig verstanden hat. Nur so könne der kranke Mensch seine verordneten Arzneimittel richtig einnehmen und die so wichtige Therapietreue entwickeln. Dafür müssen jedoch Ärzte und Apotheker eine klare und leicht verständliche Kommunikation anbieten. Im Anschluss des Festvortrags fanden in ungezwungener Atmosphäre angeregte Gespräche statt.